Die Allgemeine Unfallversicherung (AUVA) beschließt mit Mehrheitsbeschluss ein Sparpaket und streicht schon jetzt Unternehmensförderungen im Arbeitsschutz.
ANABEL springt in die Bresche!
Noch im Frühjahr schien sicher: 500 Millionen sollte die Allgemeine Unfallversicherung pro Jahr einsparen, ansonsten drohe die Auflösung per Regierungsbeschluss. Wie die AUVA diese enorme Summe aufbringen solle, darüber wurde viel spekuliert. Komplett unklar war etwa, wie es mit den sieben Unfallkrankenhäusern und den vier Reha-Zentren, welche die AUVA österreichweit betreibt, weitergehen solle. Viele Patienten waren verunsichert und fürchteten zukünftig eine Verschlechterung bei medizinischer Behandlung, Rehabilitation und Prävention.
Seit der Pressekonferenz vor gut einer Woche, bei der Sozialministerin Hartinger-Klein, AUVA-Obmann Ofner und ÖVP-Clubobmann Wöginger ihr Einsparungskonzept vorstellten, und dem AUVA-Vorstandsbeschluss von heute Abend ist klar, dass die Unfallkrankenhäuser und Reha-Zentren zwar erhalten, allerdings in eine neue Betriebs-GmbH ausgegliedert werden sollen. Außerdem sollen große Geldbeträge durch Einsparungen in der Verwaltung, durch das nicht Nachbesetzen von Posten und die Zusammenlegungen von Standorten lukriert werden.
Während einige aufatmen – es kam schließlich nicht ganz so schlimm wie befürchtet – stellt sich die Frage, was denn Einsparungen beim Personal genau bedeuten? Wenn etwa Posten nicht nachbesetzt werden, heißt das doch, dass mittelfristig für den österreichischen Gesundheitsschutz wertvolles Know-How abhanden kommt. Hoch qualifiziertes Personal wird sich andere Arbeitgeber suchen, inhaltliche Schwerpunkte, etwa in der Prävention, werden gestrichen werden. Sehr fraglich ist, ob diese Einsparungen letzten Endes auch eine Ersparnis darstellen werden. Etwa 135 Millionen Euro muss die AUVA durch eigene Maßnahmen aufbringen. Die gesamten Verwaltungskosten der AUVA betragen jedoch jährlich nur rund 92 Millionen Euro. Selbst wenn alle VerwaltungsmitarbeiterInnen gekündigt würden, könnte diese Einsparung also nicht ohne Leistungskürzungen erfolgen.
Dem gegenübergestellt werden muss die markante Verringerung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten aufgrund des Wirkens der AUVA in den vergangenen Jahrzehnten. Diese war eine Erfolgsgeschichte und hat Milliarden an volkswirtschaftlichem Schaden erspart. So sank die Anzahl der Arbeitsunfälle von Erwerbstätigen alleine in den letzten 12 Jahren von 121.000 auf 104.000, also um fast 14% (bei einer Steigerung der Versichertenzahl um mehr als 10 Prozent!). Die Durchschnittskosten für Behandlung und Rehabilitation eines Arbeitsunfall betragen rund 5.000 Euro (die volkswirtschaftlichen sogar ca. 12.500 Euro). Die Ersparnis alleine durch die Senkung der Arbeitsunfälle in den letzten 12 Jahren beträgt also jährlich mindestens 85 Millionen Euro, volkswirtschaftlich gerechnet sogar mehr als das Doppelte! Auch der massive Anstieg der u.a. durch Arbeitsstress verursachten psychischen Erkrankungen konnte nach 20 Jahren gestoppt werden. Möglich war beides ausschließlich durch verbesserte Prävention, eine Schlüsselaufgabe der AUVA.
Gespart werden soll keinesfalls, so die Vorgabe der Regierung, bei den Patienten. Welche Sparmöglichkeiten bleiben dann noch, wenn die Verwaltungskosten allenfalls einen marginalen Beitrag bringen können? Eben, die Prävention. Die Konsequenzen und Folgekosten dieser «Einsparung» lassen sich noch nicht abschätzen (siehe oben).
All jenen, die jetzt meinen, dass man doch abwarten solle: „Wegrationalisiert werden doch nur überflüssig eingestellte Sekretärinnen und untätige Buchhalter“, sei gesagt: Kostenzwänge der AUVA führen schon heute im Bereich der Prävention zu Verschlechterungen für alle österreichischen ArbeitnehmerInnen.
Bis zum Frühjahr 2018 hat die AUVA etwa österreichischen Unternehmen Gelder zur Förderung von Evaluierungsprojekten zur Verfügung gestellt. Diese Gelder wurden zur Identifikation und Bekämpfung psychischer Arbeitsbelastungen verwendet – und wurden jetzt gestrichen. Nur ein Beispiel, bei dem man merkt, dass an der Prävention gespart wird.
Durch die Weitsicht der Wiener Wirtschaftsagentur (WAW) und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und deren finanzielle Unterstützung für das Evaluierungsprojekt ANABEL, die neue Analyseplattform psychischer Arbeitsbelastungen, wurde hier zum Glück bereits eine Alternative geschaffen. Unternehmen können mit ANABEL kostenlos und einfach online die Schwerpunkt-Themen der psychischen Arbeitsbelastungen an ihren Arbeitsplätzen identifizieren. Darüber hinaus erhalten Unternehmen wenn gewünscht für nur EUR 290.– eine detaillierte gesetzeskonforme Auswertung des Screenings* und erledigen damit völlig unkompliziert den wichtigsten Schritt des für alle Unternehmen mit Beschäftigten obligatorischen Evaluierungsprozesses gemäß ASchG. Diese günstige Screeningmöglichkeit und die damit verbundene Reduktion der Evaluierungskosten kompensiert bei einem Großteil der Betriebe den Wegfall der Fördermöglichkeit.
Und wie geht es weiter mit der AUVA? Nun, es bleibt zu hoffen, dass die heute beschlossenen Einsparungen überdacht werden, denn eine funktionierende Unfallversicherung, die ihre Aufgaben in Prävention, Behandlung und Rehabilitation vollumfänglich wahrnehmen kann, ist gesellschaftlich wichtig.
Bis es soweit ist, müssen Projekte und Initiativen im Arbeitsschutz wie etwa ANABEL gestärkt werden!